Der schweizerische Bauernkrieg von 1653


Aus

Fritz Schwarz
Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker

2. Auflage, Bern, 1931, Verlag des Pestalozzi-Fellenberg-Hauses
(Erste Auflage 1925)

2010 ist eine Neuauflage erschienen.
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Der schweizerische Bauernkrieg von 1653

(Seite 127 ff)

"Seit dem 16. Jahrhundert führten die volkswirtschaftlichen Verhältnisse zu einer neuen Klassenscheidung. Seitdem das Geldwesen im öffentlichen Verkehr eine so grundlegende Bedeutung gewann, wurde das Geld eine Macht und gab auch im öffentlichen Leben den Ausschlag." So schreibt unser Schweizer Geschichtsschreiber Dändliker. (S.309.) Einer der besten Beweise für die Richtigkeit dieser Anschauung ist der schweizerische Bauernkrieg von1653.

Wohl die meisten Zeitgenossen und viele spätere Geschichtsschreiber suchen die Ursache des Bauernkrieges in einem grudsätzlichen Kampf für Untertanen gegen die Obrigkeit. Man sprach daher entweder von sträflichem Aufruhr oder einem heldenhaften Freiheitskampf. Das mag zu einem gewissen Teil am Ausbruch des Krieges mitgeholfen haben; doch betrachtet man die wirtschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit und stellt die Äusserungen der beiden Parteien zusammen, so muss man doch Dr. H. Bögli zustimmen, der den Krieg als die Folge einer Geldwertschwankung bezeichnet hat. (Der Bern. Bauernkrieg. Diss. phil. Bern 1889.)

Der an Furchtbarkeit und Dauer alles übertreffende dreissigjährige Krieg verwandelte Deutschland streckenweise in eine Wüster und schädigte das vorher noch handelsfähige und vermögliche Land ausserordentlich. Scharen von Flüchtlingen suchten Obdach in der Schweiz. Vor allem kamen vermögliche Leute, nachdem sie in Deutschland gegen Gold und Silber verkauft hatten, was sie irgendwie noch verkaufen konnte. In der Schweiz suchten sie Unterkunft und trieben so, ohne es zu wollen, die Mietpreise, die Güter und Landpreise und selbstredend auch die Warenpreise in die Höhe. Hinzu kamen die Aufkäufer der ausländischen Regierungen und der Heerführer, zu schweigen von den Händlern auf eigene Rechnung, die den ausgehungerten deutschen Städten Nahrungsmittel und Waren lieferten. Erlasse der schweizer Kantonsregierungen gegen diese "Fürkäufer" und "Hengler" hatten so wenig Erfolg wie die Ausfuhrverbote und Höchstpreise während des Weltkrieges.

Die Unsicherheit der Wirtschaftsverhältnisse hat damals zweifellos die Geldverleiher schwer beunruhigt. Die Ersparnisse wurden daher verschatzt. Wer Geld zum Verschatzen suchte, griff auf Gold und Silber, und wenn möglich nach sogenannten "groben" Stücken. Diese waren daher sehr gesucht und wurden in der Folge besser bezahlt als es nach ihrem Metallgehalt hätte sein müssen. In der Schweiz zahlte man beispielsweise für einen silbernen Neutaler statt 4o Batzen deren 50, in Deutschland einen Reichstaler statt 1 1/4 fl. deren 8,10 bis 12 fl.

Wir hätten in der Schweiz eine ähnliche Erscheinung seit 1914 für die Tausendernoten beobachten können, wenn nicht die Schweizerische Nationalbank 1914-1918 anstelle der 20'000 Stück der Jahre vor dem Krieg nach und nach deren 170'000 Stück ausgegeben hätte, womit das notwendige grobe Geld zu Vermögensverschleierungen, Steuerhinterziehungen und Verschatzungszwecken in genügendem Masse vorhanden war. (XII. Neutralitätsbericht des Bundesrates.)

Die Tatsache, dass man die Taler statt mit 40 nun mit 50 Batzen bezahlte, führte die Münzstätten auf den Gedanken, dass man den schlechter bezahlten Batzen auch schlechter ausprägen müsse. "Der Sucht, Massen roter Schinderlinge zu prägen, fiel manch kupfernes Taufbecken in der Kirche zu Opfer und half ihm keine Heiligkeit" berichtet ein Chronist.

Die Vermehrung des kleinen Geldes regte wiederum den Handel und das Gewerbe mächtig an, weil sie jedes Geschäft lohnend machte. Damit wuchs wieder der Gegensatz zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche mit seinen unglückseligen Zuständen und die Folge war wieder ein neues Einströmen von Geld und Leuten.

Die Chronik des Jost von Brechershüseren bei Wynigen im Kanton Bern gibt ein anschauliches Bild der damaligen Zeit. Die Schweizer lebten nach dem Worte Liebenaus "in dulce jubilo". Der Ammann von Wynigen lässt sich "ein Scheuren, Stuben mit Mauren" errichten, "mitsamt der Kuchi und den Kellergewölben, der zwar gar klein war und nit gewölbt", der Kirchturm wird "erhöheret" und "zwo schön neu Gloggen gegossen", "das Dorf Wynigen gezieret und formiert mit Stäg, Weg und Bruggen"; es entsteht ein Badhaus, ein Pfrundhaus, ein Schulhaus. Als der Ammann stirbt, hinterlässt er "9 Lyberben von drei Wyberen, mit der letzten Ehepartey waren es 10 Theil zu machen, und wurd noch einem über das Silbergeschirr und bar Geld wohl by 10'000 Pfunden".

Abgebrannte Häuser - und es brannten damals merkwürdig viele ab, so wurde ein Hof innert 8 Jahren zweimal eingeäschert - wurden neu und immer schöner wieder aufgebaut. "Nun bewahre es Gott, alles wie es jetzt ist, zwei schöne neue Häuser, dass man sie kaum so finden kann."

In der Folge entsteht auch ein gewisser Drang nach Bildung unter den Bauern, "mit allerlei Hülli und Fülli; uf allen Höfen hat man Klosterzüg (= Schreibzeug!) erhalten können, item, sie haben nit ander Lüten Gültbriefen zugehalten geben, sie haben selber Drucken darzue gehabt", d.h sie brauchten den Notar nicht mehr...
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...In Lenzburg verprügelten sich in diesen Jahren an einer Kilbe die von weither kommenden Gäste an 30 Orten gleichzeitig, bis die Lenzburger Miliz unter die Waffen trat und die Streithähne einfach zum Städtchen hinaustrieb. (Tobler, "Schweizerische Volksfeste".)


Über dieses leichtsinnige Völklein brach dann 1648 der Umschlag mit verheerender Gewalt ein. Als der westfälische Frieden geschlossen und Ordnung und Ruhe in Deutschland hergestellt war, verkauften viele Deutsche ihre Güter wieder und zogen mit dem Erlös - Gold und Silber! - nach Deutschland zurück. Im Ausland erschien auch viel vorher verschatztes Geld wieder im Verkehr, und daher sank dessen Umwechselkurs gegen Kleingeld wieder beträchtlich. Die Silberstücke sanken sogar unter den vorher üblichen Auswechselkurs. Um ihren Kurs mit dem des Kleingeldes auf den früheren Stand zu bringen, verminderten jetzt die Regierungen den aufgeprägten Nennwert der Kleinmünzen.

Dadurch wurde die sinkende Preisbewegung begünstigt. Die Bauern hatten wohl schon Silbermünzen aus den Kasten holen müssen, um die Zinsen und Zehnten zu zahlen, nun setzte z.B. die Berner Regierung am 2. Dezember 1652 durch ein Mandat den Nennwert des Batzens auf die Hälfte herab. "Es sind erarmte und geldklemme Zeiten" hiess es im Murifeldvertrag, den die aufständischen Bauern mit der Berner Regierung schlossen, und Emmenegger, der Luzerner Bauernführer, schreibt von der "geldöden" Zeit; die Entlebucher klagten über "Geldmangel".

Verheerend wirkte die von der Berner Regierung beschlossene Herabsetzung besonders auf die Bauern deshalb, weil nur drei Tage Zeit zum Umtausch der alten, herabgesetzten Batzen ohne Verlust gegen die neuen festgesetzt worden war. Klar, dass unter den damaligen Verkehrsverhältnissen nur die Stadtberner und allenfalls die Einwohner grösserer Ortschaften vom recht des Umtausches Gebrauch machen konnten.*** Alle anderen mussten die Zinsen und Schulden nach drei Tagen plötzlich mit der doppelten Summe zahlen oder verzinsen, wenn sie, was besonders bei Kleinbauern häufig der Fall war, viel Kleingeld zu diesem Zwecke auf die Seite gelegt hatten.

Aber auch ohnedies bedrückte sie der Preisabbau als Folge des abgewanderten und verminderten Geldes noch schwer. Hiefür einige besonders krasse Beispiele. In Sursee fiel das Viertel Kernen im Zeitraum von 1644-1651 von 44 Batzen auf 13 Batzen, die Mass Wein von 7 auf 2 Batzen. Was noch schlimmer war: "es ist kein Kauf um alle Sachen mehr, das der gemein Mann zu verkaufen hat", klagt Jost.

Wie immer suchte man beim lieben Nächsten, der einem gerade in der Sonne zu stehen schien, die Schuld an den bösen Zeiten. Die Luzerner Gewerbetreibenden forderten1653 die Ausschliessung der Hintersässen. (Ausländer würden wir heute sagen!) "die uns vor dem Lichte stehen und das wenige Brot, welches Gott den lieben Vorfahren, uns und den bürgerlichen Kindern geordnet, vor dem Munde wegessen und nehmen." Sie wünschen ferner Verbote gegen das Hausiererwesen, "da bald jede Dienstmagd u. jeder andere Müssiggänger sich in allerhand Krämereien einmischen, um Lebkuchen, Branntwein, Tuch samt anderen Waren zu verkaufe." Das Ziel der Gewerbetreibenden war ein besserer Geschäftsgang und mangels Einsicht in die wahren Ursachen ihrer Bedrängnis verfielen sie auf diese kleinlichen und engherzigen Mittel. "Die Bauern aber sollen sich mit dem Pflug und anderen Bauernwerken, dazu sie geboren sind, behelfen und sich damit begnügen."

Wie bekannt sind uns diese nächstliegenden, aber so unendlich wirkungslosen Mittelchen der damaligen Mittelstandspolitik noch heute!

Die Preisrückgänge und die Kaufunlust der durch die Krise geschädigten Städter traf die Bauern umso härter, als das Eintreiben von Schulden und Schuldzinsen mit unerbittlicher Strenge durchgeführt wurde, ja, werden musste. So verlor ein Hypothekargläubiger nach einem Ratsentscheid in Luzern jeden Anspruch auf Zins, für den er den Schuldner nicht bis zur Gant betrieb.

Die Forderungen der Bauern gingen im wesentlichen auf Herabsetzung der Steuerlasten und der Schuldzinsen. Der Huttwiler Bundesbrief wird von Dr. Gottfried Guggenbühl als "ein gewaltiges Manifest der Gedrückten" bezeichnet.

Wenn man die Richtersprüche der siegreichen Grundrentner und Zinsnehmer von 1653 durchgeht, so bekommt man den richtigen Anschauungsunterricht für das, was Zinswirtschaft bedeutet.

*** Ganz anders stellt Richard Feller in seiner "Geschichte Berns" von 1953 die Sachlage dar. (Er schildert die "Rebellion" stark aus der Sicht der Sieger.) Die Bauern hätten rechtzeitig umtauschen können, sie seien nicht geschädigt worden; sie hätten die Dinge eben nicht begriffen...


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